Mithilfe der Social Media können Unternehmen auch ihre Konkurrenz beobachten. Das gilt ebenfalls für die Politik und Non-Profit-Organisationen (NPO). Vor kurzem bin ich auf Pluragraph.de aufmerksam geworden. Die Plattform wurde 2011 als weltweit erste Social Media-Analyse- und Social Media-Benchmarking-Plattform für den nicht-kommerziellen Bereich gegründet.

Das Ziel ist eine möglichst vollständige Auflistung der Social Media-Aktivitäten von gemeinnützigen Organisationen, Politik, Kultur und Verwaltung. Auf Grundlage der tagesaktuellen Analyse der Social Media-Aktivitäten erstellt die Pluragraph.de Rankings in über 180 Kategorien. Mit heutigem Stand sind bereits über 10.000 Organisationen mit über 22.500 Profilen auf der Plattform erfasst, unter anderem alle Bundes- und Landesparlamente, deren Fraktionen, alle Bundestagsabgeordneten, kommunale Einrichtungen und Behörden sowie Kultureinrichtungen.

Martin Fuchs Pluragraph.de - Scheidtweiler PR BremenIch freue mich, dass sich Martin Fuchs, einer der Initiatoren des Projektes Pluragraph.de, Zeit für ein paar Antworten genommen hat.

Herr Fuchs, warum messen Sie mit Pluragraph.de die Social Media insbesondere Non-Profit-Organisationen (NPO)?

Vor ungefähr drei Jahren haben wir festgestellt, dass sich zwar viele Organisationen mit dem Thema Social Media intensiv beschäftigen, es aber keine belastbaren Zahlen zur Nutzung der Netzwerke gab. Zudem fehlten insbesondere vielen nicht-kommerziellen Organisationen Vergleichszahlen. Also: „Was bedeuten 500 neue Likes nach einer Facebook-Kampagne, was bedeuten meine 1.000 Twitter-Follower im Vergleich zu anderen Organisationen aus meinem Gebiet?“ usw. Und da es bisher kein Tool gab, das Vergleichsmöglichkeiten und Best Practice aufzeigte haben wir angefangen Pluragraph.de aufzubauen. Dass die Plattform einmal so groß wird, hätten wir uns zum Start nicht träumen lassen.

Welche Werte von welchen Plattformen messen Sie?

Der Social Media-Wert wird anhand der Fans und Follower eines Profils berechnet. Uns ist bewusst, dass dies nur ein Vergleichswert ist und noch keine qualitative Maßzahl. Der Faktor berechnet sich nach der Anzahl der Likes jeder Facebook Seite Der Anzahl der Follower jedes Twitter-Profils sowie der Anzahl der Personen bei denen eine Organisation oder eine Person in einem Kreis von Google+ ist. Alle erfassten Profile werden zusätzlich mit einem Pauschalwert von 50 Punkten zum Gesamtwert hinzugezählt. Für Flickr und YouTube wird ebenfalls ein Wert errechnet. Diese Werte werden aufgrund ihrer schlechten Vergleichbarkeit aber nicht mit in den Gesamtwert übernommen. Berechnet werden die Anzahl der Fotos auf Flickr, die durchschnittlichen Anzahl der YouTube Views sowie die Anzahl der YouTube Follower.

Insgesamt finden sich in den Profilen circa 20 verschiedene soziale Netzwerke, die in Deutschland mehr oder wenig aktiv genutzt werden.

Welche Rolle spielen Social Media für die NPO?

Das ist ganz unterschiedlich, bei 100 Organisationen aus dem NPO-Bereich gibt es 100 verschiedene Strategien für die Nutzung von Social Media. Aber grundsätzlich bieten soziale Netzwerke insbesondere Potentiale bei der Ansprache und Bindung neuer und vorhandener Unterstützer, bei der Schaffung von Öffentlichkeit, beim Dialog mit Zielgruppen, beim Fundraising, beim Communitybuilding, bei der Beobachtung und dem Monitoring von Diskussionen über Themen der Organisation und beim Thema Meinungsforschung.

Was für Schlüsse lassen sich daraus ziehen?

Mit Hilfe von Pluragraph.de können Organisationen und Personen – Politiker – sehen wie andere Organisationen die verschiedenen Netzwerke nutzen und wie diese es schaffen, ihre Ziele zu erreichen. Die Plattform ist also eine wunderbare Inspirationsquelle für jede Organisation und bietet einen schnellen und guten Überblick über die Nutzung von Social Media. Durch die Kombination von Kategorien lassen sich zudem sehr einfach regionale Vergleiche oder Vergleiche von einzelnen Netzwerken visualisieren.

Ist ein in den Social Media besonders aktiver Politiker der bessere Politiker?

Nein! Nicht jeder Politiker muss Social Media nutzen. Aber auf Bundesebene tun dies schon über 95% der Bundestagesabgeordneten. Entscheidend ist für jeden Politiker zu fragen: „Welche Zielgruppen habe ich und wie erreiche ich die am besten?“ Und wenn man das Gefühl hat, das dialogorientierte Instrumente wie Facebook oder Twitter nichts für einen sind, sollte man diese auch nicht nutzen, nur weil die Partei oder Berater dies empfehlen. Aber in der Tat haben soziale Netzwerke die politische Kommunikation schon stark verändert. Auch wenn man nicht selber aktiv sein möchte, es wird über einen in den Netzwerken diskutiert, ob man will oder nicht. Die passive Nutzung und Beobachtung ist also dringend empfohlen.

Herr Fuchs, danke für das Gespräch.

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Kurzbiografie Martin Fuchs:

Martin Fuchs berät, referiert und bloggt. Seit 2011 ist er Hamburger und gründete an der Elbe „Bürger & Freunde“. Er berät öffentliche Institutionen und die Politik bei der Nutzung sozialer Medien für Bürgerdialog und Verwaltungsmodernisierung. Zuvor arbeitete er mehrere Jahre als Politik- und Strategieberater in Berlin und Brüssel. Martin Fuchs ist seit 2008 Lehrbeauftragter für Public Affairs an der Universität Passau und Dozent für Social Media und Politik an weiteren Universitäten. Zudem ist er Gründer von Pluragraph.de, der Plattform für Social-Media-Benchmarking und Social-Media-Analyse im nicht-kommerziellen Bereich und bloggt über Social Media in der Politik unter www.hamburger-wahlbeobachter.de.

Pluragraph.de Rankings der Bundestagsabgeordneten:

Alle Kanäle MdB
Facebook Ranking MdB
Twitter Ranking MdB

 

Das Interview führte Nicolas Scheidtweiler.